> Die wichtigsten AfD-Narrative – Behauptung vs. Faktencheck

„Massenzuwanderung erhöht Kriminalität.“

  • Fakten: Das Bundeskriminalamt veröffentlicht seit Jahren ein eigenes Lagebild „Kriminalität im Kontext von Zuwanderung“. Die Daten zeigen komplexe Zusammenhänge; einfache Kausalformeln „mehr Migration = mehr Kriminalität“ sind unzulässig. Die Bundeszentrale für politische Bildung betont ausdrücklich, dass es keine einfache Formel gibt; Kriminalitätsraten hängen von vielen Faktoren ab (Alters-/Geschlechtsstruktur, Anzeigeverhalten, soziale Lage etc.). Bundeskriminalamt+1

  • Langfristtrend: Trotz deutlich gestiegener Zuwanderung sank die Gesamtkriminalität in den letzten zwei Jahrzehnten zeitweise; „importierte Kriminalität“ ist als Deutung irreführend, sagt die Forschung. Mediendienst Integration

„Die Asylzahlen explodieren/unser System ist außer Kontrolle.“

  • Fakten: 2025 sind die Asylerstanträge bislang deutlich gesunken: Januar–August 2025 wurden 78.246 Erstanträge gestellt, –51 % ggü. Vorjahreszeitraum. Ein Teil davon entfällt auf in Deutschland geborene Babys von Schutzsuchenden (12.196). BAMF

  • Einordnung: Über Schutzquoten und Entscheidungen informiert das BAMF transparent; im Jan.–Aug. 2025 lag die Schutzquote bei rund 20 % (alle Schutzformen zusammen). Mediendienst Integration

„Klimawandel ist vorwiegend natürlich; CO₂-Politik schadet nur.“

  • AfD-Position: Die Fraktion fordert seit Jahren, Klimaziele und Abkommen aufzukündigen; sie behauptet, Klimawandel werde „von natürlichen Faktoren dominiert“. Deutscher Bundestag+2Deutscher Bundestag+2

  • Fakten: Der IPCC stellt im AR6-Synthesebericht klar: Der Einfluss des Menschen auf die Erwärmung ist eindeutig. IPCC+1

„Energiewende ruiniert Versorgung und macht Strom unbezahlbar.“

  • Fakten: 2024 deckten erneuerbare Energien erstmalig rund 63 % der öffentlichen Nettostromerzeugung in Deutschland; der CO₂-Ausstoß des Strommixes fiel auf Rekordtief. Gleichzeitig gingen Endkundenpreise 2024 gegenüber 2023 im Schnitt um ~8 % zurück (Haushalt: 41,59 ct/kWh am 1.4.2024). Fraunhofer ISE+1

  • Einordnung: Agora Energiewende zeigt 2024/25 erneut sinkende Emissionen; Herausforderungen bleiben (v. a. Verkehr/Gebäude), aber die These „Energiewende = teurer+unsicher“ ist zu pauschal. Agora Energiewende+1

„Die EU schadet Deutschland; notfalls Dexit.“

  • AfD-Position: Das Bundesprogramm 2025 skizziert eine radikale EU-Umgestaltung und öffnet die Dexit-Option, sollte sie nicht gelingen. Alternative für Deutschland

  • Fakten: Empirie zum Brexit zeigt deutliche Wohlstandsverluste für das Vereinigte Königreich und – wenn auch kleiner – negative Effekte für EU-Staaten. Für Deutschland ist der EU-Binnenmarkt ein Nettogewinn; Bertelsmann-Studien beziffern den Pro-Kopf-Einkommenseffekt auf rund 1.000 € pro Jahr. Europäisches Parlament+3European Central Bank+3ifo Institut+3

„Wir sind Opfer einer politisierten ‘Staatsgewalt’.“

  • Fakten: Die Einstufung der AfD durch den Verfassungsschutz ist gerichtlich bestätigt worden. 2024 billigte das OVG Münster die Beobachtung als Verdachtsfall; am 2. Mai 2025 stufte das BfV die AfD als „gesichert rechtsextremistisch“ ein; am 22. Juli 2025 ließ das Bundesverwaltungsgericht die Revision gegen die OVG-Urteile nicht zu. OVG NRW+2LTO+2

„Remigration“ sei nur ein anderes Wort für konsequente Rückführung.“

  • AfD-Praxis & Umfeld: Der Begriff wurde Januar 2025 offiziell ins Wahlprogramm gehoben. Die Correctiv-Recherche über das Potsdam-Treffen dokumentiert „Remigration“ auch für „nicht-assimilierte Staatsbürger“; einzelne mediale Zuspitzungen wurden juristisch eingehegt, am Kern der Debatte ändert das wenig. DIE WELT+3Deutschlandfunk+3correctiv.org+3

„Unsere Wirtschafts- und Steuerpläne sind realistisch finanzierbar.“

Die Narrative der AfD

Von einem freien Investigativjournalisten – beauftragt, die großen Erzählungen der AfD zu prüfen.

Die Ausgangslage
Die Alternative für Deutschland (AfD) ist im Wahljahr 2025 mit einem Programm angetreten, das Migration, EU-Skepsis und eine energie- und klimapolitische Kehrtwende zum Kern erhebt. „Remigration“ wurde offiziell in das Bundesprogramm aufgenommen; gegenüber der EU hält man einen Austritt offen, sollte eine fundamentale Reform scheitern. Gleichzeitig inszeniert sich die Partei als Opfer „politischer“ Sicherheitsbehörden. Ich habe diese Narrative an offiziellen Zahlen, Gerichtsurteilen und Primärquellen gespiegelt. Alternative für Deutschland+1

Migration & Kriminalität: die einfache Formel, die nicht hält
Die Erzählung von „importierter Kriminalität“ wirkt, weil sie intuitiv ist. Aber sie ist empirisch verkürzt. Das BKA-Lagebild und die Analyse der Bundeszentrale für politische Bildung zeigen: Kriminalität erklärt sich aus einer Vielzahl von Faktoren (u. a. Altersstruktur, soziale Lage, Anzeigeverhalten). Ein lineares „mehr Migration = mehr Kriminalität“ trägt wissenschaftlich nicht. Langfristig lässt sich die Geschichte steigender Kriminalität trotz Zuwanderung nicht belegen. Wer anderes behauptet, selektiert Daten. Bundeskriminalamt+2bpb.de+2

Asylzahlen 2025: Trendwende statt „Explosion“
In den ersten acht Monaten 2025 sind die Erstanträge gegenüber 2024 halbiert. Das relativiert die AfD-Erzählung vom ungebremsten Zustrom erheblich. Dass ein Teil der Anträge auf in Deutschland geborene Säuglinge entfällt, wird in der Debatte oft unterschlagen. BAMF

Klima und Energie: Wissenschaft vs. Wunschdenken
Die AfD erklärt Klimaschutz für überzogen oder unnötig und fordert das Aufkündigen internationaler Abkommen. Die Wissenschaft hält dagegen: Der IPCC sieht den menschlichen Einfluss als eindeutig. Deutschlands Stromsystem zeigt parallel, dass Ausbau von Wind & Sonne wirkt: ~63 % erneuerbarer Strom 2024, Emissionen auf Rekordtief – und die Endkundenpreise lagen 2024 im Schnitt unter 2023. Das ist kein Selbstläufer, aber ein klarer Realitätscheck für das AfD-Narrativ vom „teuren Irrweg“. Bundeskartellamt+3Deutscher Bundestag+3IPCC+3

EU & „Dexit“: die teure Illusion
Die AfD stellt den Binnenmarkt und die EU-Architektur grundsätzlich infrage. Internationale Evidenz zeigt jedoch: Der Brexit war ein Wohlstands- und Handelsschock – vor allem für das Vereinigte Königreich, aber auch nachteilig für Partner. Für Deutschland bringt der Binnenmarkt messbare Einkommensvorteile (≈ 1.000 € pro Kopf/Jahr). Ein „Dexit“ wäre also kein Befreiungsschlag, sondern ein selbstverschuldeter Kostentreiber. European Central Bank+2ifo Institut+2

„Remigration“: Sprachpolitik und Realitätstest
Nach der Correctiv-Recherche über ein Treffen bei Potsdam wurde heftig gestritten, ob dort auch die Ausbürgerung „nicht-assimilierter Staatsbürger“ ventiliert wurde. Manche mediale Formulierungen mussten Gerichten standhalten. Unabhängig davon: Die Partei hat den Begriff selbst ins Programm gehoben – und der stammt aus dem Arsenal der Neuen Rechten. Das sagt viel über politisches Framing – und wenig über ernsthafte, rechtsstaatlich saubere Migrationspolitik. correctiv.org+2DIE WELT+2

„Politisierte Behörden“? – Der Blick ins Rechtsstaatstagebuch
Die AfD behauptet gern, Sicherheitsbehörden agierten parteiisch. Die Aktenlage spricht dagegen: 2024 bestätigte das OVG Münster die Beobachtung der AfD als Verdachtsfall; am 2. Mai 2025 stufte das BfV die Partei als gesichert rechtsextremistisch ein; am 22. Juli 2025 wurden Revisionen gegen die OVG-Urteile nicht zugelassen. Das sind gerichtlich überprüfte Entscheidungen – keine „Kampagnen“. OVG NRW+2LTO+2

Haushalt & Versprechen: der Kassensturz
Das IW Köln rechnet die AfD-Steuerpläne auf ~181 Mrd. € Mindereinnahmen jährlich. Zusammen mit kostenintensiven Rentenversprechen bleibt schlicht die Frage der Gegenfinanzierung. Belastbare Konzepte legt die Partei nicht vor – wohl aber massive Ausgabewünsche. Das ist fiskalisch nicht seriös. Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Korruptions- und Einflussvorwürfe: ein Glaubwürdigkeitsproblem
Jüngste Ermittlungen gegen prominente AfD-Politiker – von Maximilian Krah (Geldflüsse/China) bis Petr Bystron (Russian-Influence-Komplex) – verstärken Zweifel an der Unabhängigkeit vom autoritären Ausland. Verfahren laufen, Unschuldsvermutung gilt – doch die Vorwürfe sind gravierend und politisch relevant. AP News+2abgeordnetenwatch.de+2

Fazit: Die Glaubwürdigkeit der AfD-Erzählungen
Die AfD bietet einfache Antworten auf komplizierte Fragen – und ruht dabei oft auf selektiven, veralteten oder widerlegten Prämissen. Wo die Partei Wissenschaft bestreitet (Klima), institutionelle Realitäten ignoriert (EU-Binnenmarkt) oder mit Kampfbegriffen operiert („Remigration“), bricht die Argumentation an der Faktenlage. Gerichte attestieren verfassungsfeindliche Tendenzen, ökonomische Analysen zerlegen die Finanzpläne, und aktuelle Migrations- sowie Energiedaten widersprechen zentralen Alarmnarrativen.
Kurz: Viele der lautesten AfD-Behauptungen halten einem nüchternen Faktencheck nicht stand.

Quellenauswahl (Auszüge aus der Recherche):
BKA/BpB zu Migration & Kriminalität; BAMF-Asylstatistik (08/2025); IPCC AR6; Fraunhofer ISE & Bundeskartellamt zu Strom/Preisen 2024; Agora Energiewende (Emissionen 2024); AfD-Bundesprogramm 2025 & BT-Initiativen; OVG Münster/BVerwG/BfV zur Einstufung; Bertelsmann/ifo/ECB zu Binnenmarkteffekten/Brexit; Correctiv & Gerichtsbeschlüsse zur Remigration-Debatte. (Siehe Zitate in den Abschnitten.)