Podium der Demokratischen Parteien am 28.06.2025

Solidarität ist keine Einbahnstraße – alle sollen zum Wohlstand beitragen

In der letzten Woche haben sich die parlamentarischen Gremien mit der Unterbringungsgebührensatzung der Stadt Viernheim befasst, also mit der Kostenentschädigung, die wir für die Unterbringung von Geflüchteten in den vier Gemeinschaftsunterkünften verlangen. In den meisten Fällen werden diese Kosten vom Kreis Bergstraße erstattet. Interessant war aber auch zu hören, dass einige Geflüchtete die Gebühren selbst tragen, weil sie bereits einer Erwerbstätigkeit nachgehen und von ihrem eigenen Einkommen leben können.

Die Möglichkeit zu arbeiten eröffnet eine andere, positivere Perspektive und führt von der meist einseitigen Betrachtung von Zuwanderung als Belastung und Kosten für die Gesellschaft weg. Zuwanderung kann einen Beitrag zu unserem Wohlstand leisten. "Ein Job schafft Einkommen, Einkommen schafft Selbstwirksamkeit und Selbstwirksamkeit trägt Gesellschaften", fasste Till Wahnbaeck, der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Welthungerhilfe, jüngst die Bedeutung von Arbeit zusammen. Und das gilt nicht nur in der Entwicklungshilfe.

Wer auf der Grundlage unserer Gesetze zu uns kommt, weil sein Leben in seiner Heimat bedroht ist, darf sich unserer Solidarität sicher sein. Aber vom ersten Tag an muss das Ziel sein, ohne unsere Unterstützung zu leben und selbst für sich zu sorgen. Das ist die zu Recht bestehende Erwartung in der Bevölkerung, denn Solidarität ist keine Einbahnstraße: Alle, die hier sind, sollen im Rahmen ihrer Möglichkeiten zum Wohlstand aller beitragen. Das heißt: Sprachkurse von Anfang an, berufsbezogene Beratung, Entwicklung einer beruflichen Perspektive, Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse, Wahrnehmung von Möglichkeiten der Nachqualifizierung und Arbeitserprobung. Leider ist das oft ein sehr langer und komplizierter Weg. Wer niemanden an seiner Seite hat, der ihm die richtigen Schritte in unseren Arbeitsmarkt zeigt, findet sich trotz guter Qualifikation aus dem Heimatland nach Jahren der Anstrengung nicht selten im Niedriglohnsektor wieder.

Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels haben die Stadt Viernheim und alle weiteren Kita-Träger die Initiative "Fachkräfte für Viernheimer Kitas" ins Leben gerufen. Mittlerweile berät die städtische Gleichstellungsbeauftragte 90 Menschen, überwiegend Frauen und Zugewanderte. Ohne die Initiative und das Viernheimer Netzwerk hätte man diese Menschen in Viernheim wohl nie erreicht. Ohne das Einzelcoaching hätten diese Menschen nie den Weg in den Beruf als pädagogische Fachkraft oder Zusatzkraft in einer Kita gefunden. Die Hürden sind für Zugewanderte immens, insbesondere in reglementierten Berufen wie der Kinder- und Jugendhilfe.

Gibt es etwas Besseres, als wenn Zugewanderte zu Fachkräften werden und damit zur gesellschaftlichen Solidarität beitragen? Warum wird dies dem Engagement einer Kommune, die dafür eigentlich gar nicht zuständig ist, und dem Erfolg ihrer Mitarbeiterin überlassen, statt es gesamtstaatlich zu steuern?

Aufgrund dieses Erfolgs wurde das Folgeprojekt "Rein in die Arbeit" konzipiert. Die Anträge auf Landesförderung sind gestellt. Über das Viernheimer soziale Netzwerk, insbesondere die Integrationslotsinnen, wurden Teilnehmende der Sprachkurse vor Ort gefragt, ob sie Interesse an einer Tätigkeit in der Altenpflege haben. Die Idee ist, Sprache vom ersten Tag an mit einem beruflichen Ziel zu verknüpfen und nicht erst irgendwann später. 40 Personen, darunter auch Männer, haben an einem Informationsabend teilgenommen. 30 von ihnen absolvieren nun ein mehrwöchiges Praktikum im städtischen Forum der Senioren sowie bei den ambulanten Pflegediensten des Caritasverbandes und der Johanniter. Hier stellt sich erneut die Frage: Warum ist auch dies dem örtlichen Zufallsengagement überlassen und nicht gesamtstaatlich gesteuert?

Wenn es gelingen würde, solche erfolgreichen Projekte der beruflichen Integration zu verstetigen, wäre viel erreicht – damit wären wir aber noch nicht am Ende. Dr. Peter Kurz, der frühere Mannheimer Oberbürgermeister, forderte unlängst in einem Interview mit dem "Mannheimer Morgen", dass sich die Integrationsleistung von Geflüchteten stärker auf deren Aufenthaltsstatus auswirken müsse. "Wenn jemand einen unsicheren Aufenthaltsstatus hat, kann er sich bei uns nicht durch eine gelungene Arbeitsmarktintegration absichern. So kommt es zu Fällen, über die alle den Kopf schütteln: Wenn eine gut integrierte und dringend gebrauchte Pflegekraft abgeschoben wird."

Es scheint noch ein langer Weg vor uns zu liegen. Wir sollten von guten Projekten lernen und unsere Gesellschaft mit Geduld, Zuversicht, Mut und Sinn für das Machbare weiterentwickeln.


Peter Lichtenthäler

Stv. Vorsitzender der SPD-Fraktion

in der Viernheimer Stadtverordneten-Versammlung


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